Herzensweg

Peterson de la Cruz ist Choreograph und Tänzer. Der gebürtige Brasilianer hat in der Gemeinde Götzis, in Vorarlberg, den dortigen Turnverein in kürzester Zeit zu einer international bekannten Akrobatikgruppe aufgebaut und in das Finale der TV-Show von „America‘s Got Talent“ geführt. Peterson de la Cruz ist nicht nur eine Persönlichkeit mit besonderen Begabungen, sondern auch ein Mensch mit einer aussergewöhnlichen Herzensverbindung.

Wenn man dein Leben und deine Karriere betrachtet, scheint dein Motto zu sein: „Folge deinem Herzen.“ Stimmt das?

Ja, das ist tatsächlich so. Die einzige Gabe, die ich habe, ist das Tanzen und die Akrobatik. Ich bin davon überzeugt, dass ich diese Gabe geschenkt bekommen habe. Ich kann andere Sachen nicht. Natürlich habe ich anderes ausprobiert, aber es hat nie funktioniert. Und deshalb bin ich überzeugt, dass mir Gott diese Gabe geschenkt hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jedes Mal, wenn ich eine von Gott gegebene Inspiration erhalten habe, ich auch zu 100% Erfolg hatte. In meiner 13-jährigen Arbeit mit Zurcaroh habe ich zirka 30 Choreografien gemacht. Eine Choreografie zu einem bestimmten Thema zu entwickeln, kann zwischen ein paar Monaten bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Das Thema dazu erhalte ich immer als Impuls. Eine meiner Inspirationsquellen ist die Bibel und hier beispielsweise der Sündenfall von Adam und Eva und ihre Vertreibung aus dem Paradies. Oder der Tod von Jesus und die Auferstehung zur Rettung von uns Menschen. In der Choreografie von „Neu-Jerusalem“ tanzen dann beispielsweise die Mädchen in weissen Kleidern auf der Bühne, wodurch unsere Beziehung zu Gott dargestellt wird. In allen meinen Choreografien gibt es diese Botschaft über die Wichtigkeit unserer Beziehung zu Gott. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch diese Beziehung zu Gott – gerade in der heutigen verrückten Zeit – geschützt werden.

Und woher stammt deine enge Beziehung zu Gott? Bist du mit dieser Überzeugung aufgewachsen?

In meiner Familie ist das etwas anders. Normalerweise folgen Familien immer einer bestimmten Tradition. Bei uns ist das nicht der Fall. Ich stamme aus einer Mischkultur: meine Oma mütterlicherseits stammt aus dem Amazonasgebiet, sie war eine Indigene. Und die Oma väterlicherseits kommt aus Afrika. In beiden Kulturen gibt es bestimmte Traditionen, die eine Lebensphilosophie darstellen. Beide Kulturen leben jedoch leider auch Überzeugungen, die abergläubisch und sehr ausgrenzend bzw. diskriminierend sind. Zum Beispiel werden in Afrika im Voodoo-Kult Albino-Kinder verstossen oder im Amazonas gibt eine Ethnie, die bestimmte Kinder „opfert“. Das ist sehr grausam und ich habe mich oft gefragt, wie kann das sein? Meine ganze Familie ist inzwischen zum Christentum gewechselt. Und hier gibt es ein Wort, das für mich besonders wichtig ist: die LIEBE.

Die Liebe von Gott und von Jesus verändert, baut Brücken und schafft eine Kultur des Miteinanders und des Friedens. Liebe ist für mich aber weitaus mehr als nur ein Wort. Liebe bedeutet für mich, aktiv dafür etwas zu tun. Du weisst ja, dass ich mich unter anderem in Afrika mit Unterstützung der Hilfsorganisation „Stunde des Herzens“ für ausgestossene Albino-Kinder einsetze. Wir haben in den letzten Jahren dort einige Projekte umgesetzt, indem wir Hilfs- und Hygieneartikel sowie Schulsachen für die Kinder gespendet haben. Ich bin selbst dorthin gereist, wenn wir die Spenden überbracht haben und habe dort auch Tanz unterrichtet. Ich habe auch Trainer ausgebildet, sodass diese die Kinder jetzt selbstständig und regelmässig im Tanzen unterrichten können. Das Tanzen schenkt ihnen nicht nur Spass und Freude, sondern zeigt ihnen auch andere Perspektiven auf.

Den eigenen Weg des Herzens zu finden, ist nicht immer leicht. Wie war das für dich?

Auch für mich war das ein längerer Prozess. Ich bin eine sehr vielfältig interessierte Person. Ich habe mich unter anderem mit dem Buddhismus, Zeugen Jehovas und weiteren Kulturen beschäftigt. Mein erster Kontakt zum Christentum war in der 7. Schulklasse. Wir mussten zum ersten Mal vor der gesamten Klasse ein Referat halten. Das Thema durften wir frei wählen. Die meisten Kinder haben über den Beruf ihres Vaters oder ihre Hobbies referiert. Doch ein Junge hat über Jesus gesprochen. Das war etwas ganz Besonderes: ich erinnere mich, dass ich das Gefühl hatte, als ob die Zeit plötzlich stillsteht. Die Atmosphäre in der Klasse war mit einem Schlag ganz anders – ganz ruhig. Ich konnte sogar mein Herz schlagen hören. Der Junge hat leidenschaftlich über Jesus gesprochen. Darüber, dass Jesus immer bei ihm ist und er alles mit ihm zusammen macht. Damals habe ich mich gefragt, wie kann das sein? Wie kann der Junge so eine besondere Beziehung zu Jesus haben? Ich habe mir das auch gewünscht und seit diesem Zeitpunkt hat sich mein Leben geändert: mein Tanzen und meine Akrobatik und diese neue Beziehung zu Jesus haben sich plötzlich wie eine langersehnte Herzens-Fusion angefühlt.

Wie hat sich dieser Herzens-Fusion konkret auf dein Leben ausgewirkt? Und wie lebst du diese Verbindung?

In dieser Verbindung finde ich Inspiration, Kreativität, Liebe, Freude, Frieden, Vertrauen und vieles mehr.
Ich lebe diese Herzensverbindung im Alltag eigentlich ununterbrochen. Ganz konkret, indem ich bete. Und dabei ist es egal, wo ich mich gerade befinde. Und es spielt auch keine Rolle zu welcher Tages- oder Nachtzeit das ist. Besonders gerne bete ich, wenn ich im Auto unterwegs bin. Und auch in meinen Träumen erhalte ich oft Botschaften von Gott: Informationen, was in meinem Leben gut ist, was nicht so gut ist; was ich ändern muss und worauf ich aufpassen sollte. Aber ich habe auch schon Inspirationen im Flugzeug erhalten: ein Mal habe ich eine Inspiration erhalten, als ich meine Augen während des Fluges geschlossen hatte. Und als ich die Augen wieder geöffnet habe, hatte ich eine komplette Choreografie fertig. Oder im Jahr 2003 haben wir uns auf einen Wettkampf in Brasilien vorbereitet. Allerdings hatte ich bis drei Wochen vor dem Wettkampf weder eine Choreografie, noch eine Musik und wir hatten natürlich auch nicht geprobt. Ich weiss noch, wie ich eines Tages auf der Treppe der Trainingshalle gesessen bin und mit Gott gesprochen habe: „Schau mal, lieber Gott: ich habe keine Idee, keine Musik, keinen Tanz, keine Akrobatik und es sind nur noch drei Wochen bis zum Wettkampf. Wenn du mir hilfst, werde ich immer über deine Hilfe sprechen; darüber, dass du mir alles gegeben hast.“ Und Gott hat mir geholfen! Wir haben sogar eine Goldmedaille gewonnen. Und deshalb weiss ich, dass alles, was ich erreiche, ihm bzw. meinem Vertrauen und Glauben in ihn verdanke. Wenn ich bete, bedeutet das nicht, dass ich immer alles gleich bekomme. Manchmal dauert es etwas und manchmal ist es etwas anderes, als ich mir erhofft habe. Der Grund dafür kann sein, dass ich noch nicht bereit dafür bin: manchmal weil noch etwas Grösseres auf mich wartet und ich mich darauf erst noch vorbereiten bzw. wachsen muss. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für alles immer einen Grund gibt. Gott und Jesus sind ein Mysterium (lacht).

Lehrst du diese Herzensverbindung auch deinenTanz-Studenten?

Natürlich erzähle ich immer, wie meine Choreografie entstanden ist und welche Überlegungen dahinterstehen. Aber ich „lehre“ das nicht. Ich lebe es einfach. Ich lasse jede/n seine Herzensbeziehung spüren, finden und aufbauen. Egal, ob das zu Gott ist oder nicht. Das Schöne am Vorleben ist, dass sich die Kinder und Erwachsenen dann tatsächlich oft auch für eine Beziehung zu Gott entscheiden.

Ich habe gelesen, dass du mal gesagt hast, dass Tanz bei Ängsten hilft. Kannst du dazu etwas sagen?

Tanz ist eine Therapie. Den Körper rhythmisch zur Musik zu bewegen, spielt in allen Kulturen und über alle Zeiten hinweg eine wichtige Rolle. Tanz und Musik wurden als Lobpreis für Gott bzw. das Göttliche genutzt. Und dabei finden oft tiefgreifende Prozesse und Transformationen statt. Sowohl auf körperlicher wie auch auf emotionaler Ebene. Tanzen kann als Ausdruck unserer Befindlichkeiten, Zustände und Bedürfnisse genutzt werden. Die Musik und der Rhythmus lassen die Tanzenden den Schwung finden, sich zu bewegen. Die Musik inspiriert dazu, sich kreativ und organisiert zu bewegen. Sie gehen mitunter in Tanz-Beziehung zueinander, synchronisieren sich und erschaffen als Gruppe eine Einheit. Wenn du in das Gesicht der Tanzenden schaust, kannst du sehen, wie sich die Gefühle und Stimmungen darin wieder spiegeln. Tanz und Musik ist eine wunderbare Herzens-Fusion!

Kannst du uns noch etwas über dein aktuelles Hilfsprojekt erzählen?

Ich stamme aus einer armen Gegend in Brasilien. Gott hat mir alles geschenkt, was ich bisher erreicht habe, und dafür bin ich sehr dankbar. Deshalb möchte ich anderen Menschen gerne etwas zurückgeben – jenen, denen es nicht so gut geht. Aus diesem Grund habe ich die Projekte in Afrika initiiert und arbeite ich auch regelmässig mit der Organisation „Stunde des Herzens“ zusammen. Diese Vereinsmitglieder widmen alle ehrenamtlich ihre Zeit Menschen, die von schweren Krankheiten (vor allem Kindern) oder Altersarmut betroffen sind. Sie machen das zusätzlich zu ihren normalen Jobs und stehen dafür teilweise sogar jeden Tag um 5 Uhr morgens auf. Über das Engagement dieses Vereins habe ich erst vor Kurzem einen Videofilm gemacht.

Für mich ist der Einsatz dieser Menschen für ihre Mitmenschen ein sichtbarer Ausdruck der gelebten Liebe Gottes.

In Brasilien möchte ich eine Tanz-Talente-Fabrik ins Leben rufen. Für dieses Projekt bin ich aktuell noch auf der Suche nach Sponsoren. Ich möchte dort Tanztrainer ausbilden, damit sie möglichst vielen jungen Menschen das Tanzen beibringen. Die Kriminalitätsrate ist sehr hoch. Tanzen kann dazu beitragen, das Leben der Kinder und Jugendlichen positiv zu verändern. Wenn sie Tanzen als Gabe entdecken, können sie ihre Zukunft in eine andere, bessere Richtung lenken. Das Tanzen hilft ihnen aber vor allem ihre Gefühle auszudrücken und zeigt ihnen andere Möglichkeiten auf, zum Beispiel zur Konfliktlösung.

Schlussendlich geht es doch darum, dass jede:r die Liebe wirklich lebt – und zwar, indem wir Empathie und Verantwortung für unser Miteinander übernehmen. Und wenn ich mir etwas wünschen darf, so wäre das, dass wir in Zukunft unsere Herzensverbindung zu Gott bzw. dem Göttlichen bewusster im Alltag leben und in unseren Beziehungen lebendig ausdrücken.

Sumak kawsay